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NORWAY PART 3

06/08/2020 – 21/10/2020

“Kjeragbolten: Geh nicht, wenn du Höhenangst hast.” 

„Ein lediglich  moderater Anstieg“ und „familienfreundlich“, so oder so ähnlich las sich die Beschreibung zu einer Wanderung mit Grenzerfahrung. Liest sich zu dramatisch? War es auch. Zumindest für Sascha, der nicht wirklich höhenfest ist, aber es dennoch versucht hat. Aber fangen wir ganz Vorne an. Alles war schön. Hochmotiviert und voller Wanderlust stiefelten wir los. Wir starteten die Tour am frühen Nachmittag, wollten wir doch einen möglichen Sonnenuntergang mit dem berühmten Kjeragbolten, eines der bekanntesten Fotomotive, im Vordergrund festhalten. Die Anzahl an Kindern und Menschen älteren Semesters -allesamt Norweger- vermittelten den trügerischen Eindruck, dass es sich hierbei um die tatsächlich als familienfreundlich beschriebene Tour handelte, die wir erwartet haben. 

Auf einen ersten steilen Anstieg folgte ein wiederum steiler Abstieg, durch eine Senke hindurch um kurz darauf wieder die verlorenen Höhenmeter gut zu machen. Soll heißen: Wieder rauf auf den Berg. Am höchsten Punkt angekommen, merkten wir schnell, dass es doch sofort wieder hinunter ging. Die Beschaffenheit der durch die Eiszeit abgeschliffenen Felsen lässt nur erahnen, was für eine fröhlich lustige Rutschpartie diese Wanderung bei Regen oder Schnee bedeutet. Dass Norweger eine andere Vorstellung von Wandern haben, wurde uns jetzt klar.

„Hier gehts nicht weiter“, sagte Sascha recht kleinlaut. Der dritte Anstieg nach der Schutzhütte ist dann doch zu viel für ihn. Hiermit ist nicht gemeint, dass ihm die Kräfte ausgingen, sondern was ihm ein Weitergehen unmöglich machte, war der Tatsache geschuldet, dass wir eine ungesicherte Passage entlang der Felskante erklimmen mussten. Ein Blick hinunter machte deutlich: Ein falscher Schritt und es geht unzählige Meter an der Fjordklippe hinunter in den Tod.

Sascha war es unverständlich, wie leichtfüßig achtjährige Kinder in ihren Chucks über diese für ihn vermeintlich unüberwindbare Passage kraxelten. Ein absolutes Novum für uns als Paar, machte ich, Kerstin, mich weiter zum Kjeragbolten und ließ Sascha an einer recht sicheren Stelle neben einem rissigen Stein kauernd zurück, um ihn später an selbiger Stelle wieder abzuholen. „Es ist schon okay. Ich warte hier auf dich. Mach ruhig“, sagte er. Während ich nun also allein weiterstiefelte, ging mir das Bild von meinem schweissgebadeten Reisebegleiter nicht aus dem Kopf. Wie krieg ich einen erwachsenen Mann in Panik versunken die glatten Bergkämme wieder hinunter? Wie war der Notruf in Norwegen? 110, 911, 112? Kann man eigentlich in Deutschland anrufen und die Verantwortlichen schicken die Nachricht an einen norwegischen Helikopter in der Nähe???

Schnell auf den Kjeragbolten gehopst, irgendeinen Touri nach einem Schnappschuss von mir gefragt, lief ich nach 2 Minuten vor Ort sein wieder zurück, um Sascha zu finden. Hatte er sich übergeben? Er sah vorhin schon so schlecht aus. Wie verhält man sich in einer Panikattacke? Alle um mich herum waren so fröhlich. Diese dummen Chucks-Kinder… Zurück an der vereinbarten Stelle mit dem großen Stein, der auch etwas windschützend wirken sollte, war Sascha weg.

Einige Meter tiefer sah ich einen schwarzen Klops auf dem Hosenboden den Berg runterrutschen. Das musste er sein. Mit klopfendem Herzen holte ich Sascha ein und versuchte ihn mit minder-intelligenten Sprüchen zum Aufstehen zu bewegen. Was für eine Tour. Auf dem Parkplatz angekommen, welcher übrigens am frühen Vormittag des Tages noch rappelvoll war, waren wir nun das letzte Auto. Dafür aber sicher und kein Helikopter musste uns holen. Hätten wir ein Bier dabei gehabt, hätten wir es an dieser Stelle sehr wahrscheinlich zum Anstoßen genutzt. 

Nach dieser völlig neuen Erfahrung folgte abends noch eine weitere Premiere. Baden im Bergsee für Kerstin und die eigens mitgebrachte Campingdusche für Sascha. Beides eiskalt und bei nagendem Wind. Wie warm es wohl zu dieser Zeit auf Bali gewesen sein mag?

Published in NORWAY

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